Antragsteller: Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen

Der Unterbezirksparteitag der SPD fordert die SPD-Landtagsfraktion auf, sich für die Wiedereinführung des Widerspruchsverfahrens im Verwaltungsrechtsweg einzusetzen und für den Fall einer Regierungsübernahme nach der Landtagswahl 2008 das Widerspruchsverfahren im Verwaltungsrechtsweg wieder einzuführen.

Begründung: Im Rahmen der sog. Verwaltungsmodernisierung hat die CDU/FDP-Landesregierung für weite Bereiche des Verwaltungsrechts das in § 68 Abs.1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehene Widerspruchsverfahren abgeschafft. Zu den betroffenen Rechtsgebieten zählen insbesondere das kommunale Abgabenrecht, das Ausländerrecht, das Kommunalrecht, das Polizeirecht, das Sozialrecht (ohne Sozialhilferecht), das Wohngeldrecht, das Verkehrsrecht, Teile des Beamtenrechts und das Landwirtschaftsrecht. Andere Bundesländer haben aufgrund negativer Erfahrungen auf äußerst begrenzte Bereiche des Verwaltungsrechts (Hessen) oder auf Modellversuche (Mecklenburg-Vorpommern, Bayern) beschränkt oder ganz davon abgesehen. Die weitgehende Abschaffung des Widerspruchsverfahrens hat folgende negative Konsequenzen mit sich gebracht:

 dem Bürger wurde die Möglichkeit genommen, eine Verwaltungsentscheidung vor Anrufung des Verwaltungsgerichts umfassend und einfacher, unbürokratischer kostengünstiger prüfen zu lassen. Vor allem der Kostenaspekt ist zu beachten, da sich der Bürger vor Gericht in der Regel von einem Anwalt vertreten lassen muss und die Gerichtskosten bei Klageerhebung sofort und in voller Höhe entrichten muss. Der rechtssuchende Bürger wird daher häufig aus Kostengründen von einem Prozess absehen und muss dann möglicherweise rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen in Kauf nehmen.

 die Selbstkontrolle der Verwaltung ist nicht mehr gewährleistet. Im Widerspruchsverfahren hatte die Behörde die Möglichkeit, die Recht- und Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen nochmals zu prüfen oder in vielen Fällen von einer übergeordneten Behörde prüfen zu lassen, wobei die Entscheidung noch geändert, ergänzt, aufgehoben oder ersetzt werden konnte. Im Gerichtsverfahren sind die Gerichte demgegenüber auf die Rechtskontrolle beschränkt.

 der Handlungsspielraum der Verwaltung wird eingeschränkt und die Qualität der Entscheidungen verschlechtert sich insbesondere in den Fällen, in denen eine übergeordnete Behörde das Widerspruchsverfahren durchgeführt hat. Falls der Bürger klagt und sich die Verwaltungsentscheidung als fehlerhaft erweist, muss letztlich der Steuerzahler die Konsequenzen tragen.

 Bürger und Behörde wird die Möglichkeit genommen, einen Rechtsstreit ggf. im Wege der Mediation einvernehmlich zu lösen.

 Die Verwaltungsgerichte sind durch die zunehmende Zahl der Verfahren überlastet. Allein im Jahre 2005 kam es in Niedersachsen trotz Verlagerung der sozialhilferechtlichen Verfahren (Hartz IV) zu 31.800 neuen Verfahren. Dies sind 5.200 Verfahren mehr als 2004 und die höchste Zahl seit dem Höhepunkt der Asylwelle 1994. die Steigerung der Verfahren in den Bereichen, in denen das Widerspruchsverfahren nicht mehr stattfindet, hat sich nahezu verdreifacht.

 Aus dem eben gesagten folgt auch, dass der rechtssuchende Bürger auf eine gerichtliche Entscheidung länger warten muss.

Im Ergebnis ist es daher rechtspolitisch geboten und im Interesse der Bürger notwendig, das Widerspruchsverfahren wieder einzuführen.